Monday, October 29, 2007

Amerikanische Verkehrsregeln

Ein Monat Leben in Chicago, dreißig Tage Aufenthalt in Amerika. Einiges gibt es, was den Besucher von Außerhalb weiterhin zum Schmunzeln bringt. Neben speziellen Schildern zum Schutz der älteren Gemeindemitglieder wäre da auch die Ungeduld amerikanischer Verkehrsteilnehmer an einer Ampelkreuzung. Wenn das Ampellicht von rot auf grün springt und Fahrer Nummer eins unter den Wartenden dann nicht rechtzeitig in die Gänge kommt - er darf sich des Mitgefühls eines jeden Passanten sicher sein. Denn es schlägt dem Piloten der Startposition, wie übrigens auch den umstehenden Fussgängern, sogleich ein dröhnendes Hupkonzert aus den Cockpits der nachfolgenden Wagen um die Ohren. Die Amerikaner müssen ihre Tröten wirklich lieben, denn selbst wenn der arme Teufel auf Platz eins bereits bei gelb zu rollen beginnt, ist das vielen Piloten auf den hinteren Plätzen immer noch zu langsam. Panisch schlagen die eiligen Fahrer auf ihr Horn ein als litten sie an Inkontinenz und gleich sei es für alles zu spät. Gehupt wird übrigens nicht nur an Kreuzungen. Des öfteren wurde ich schon Zeuge gewagter Wendemanöver und schnittiger Lückensprünge, die in Zusammenstoss und Blechschaden endeten. Und was hörte der Fussgänger wohl noch vor dem Quietschen der Reifen? Genau, ehe einer der beteiligten Autofahrer seine Geschwindigkeit mittels Bremsen drosselte, und einen Unfall zu verhindern gewillt war, wurde erst mal in hohem Ton das Vorfahrtsrecht eingehupt.

Ich selbst besitze kein Auto und benutze daher weiterhin die CTA-Züge. Eine Hupe ist bei diesem Verkehrsmittel nutzlos, die Züge fahren wann sie wollen. Aber das ist man als Deutscher schon von seiner Bahn gewohnt. Obwohl die "Überraschungen" der blauen Linie in Chicago selbst die Schaffner zu Hause beeindrucken dürften. Mich beeindruckt aber vor allem der zusätzliche Kundendienst an Bord der CTA-Züge. Ohne nämlich dafür extra bezahlen zu müssen, bekomme ich mit jeder Fahrt, Tag für Tag, eine Unterrichtung in Sachen guten Benehmens. Denn kaum hat man seinen Sitzplatz eingenommen, der Zug ist in Fahrt gekommen und peilt die nächste Haltestelle an, da ertönt wie aus dem Nichts eine Maschinenstimme und weist die Passagiere auf das gewünschte Verhalten im Abteil hin. Streng und doch freundlich werden die Gäste gebeten, während der Fahrt auf ihr leibliches Wohl zu verzichten und somit nicht zu essen und nicht zu trinken. Auch alles was Spaß machen könnte, wie etwa Musik, Rauchen und Glücksspiel, wird gleich danach verboten. Es folgen Hinweise zur Sicherheit ("Stehende Passagiere lehnen sich bitte nicht an die Türen") und zum Umgang mit Schwächeren ("Bitte überlassen sie die Plätze Menschen mit Behinderungen"). Nicht auszudenken, was wohl in den einzelnen Abteilen ohne den elektro- nischen Herrn Knigge abgehen würde. Meine Lieblingsdurchsage ist jedoch der Hinweis auf suspicious activity. Darauf aufmerksam gemacht vergeht die Reise viel zügiger. Denn nun schaue ich mir jeden Fahrgast haar- genau an und bin auf der Suche nach jenen "verdächtigen Handlungen", die es sofort dem Schaffner zu vermelden gäbe. Die Leipziger Straßenbahn hat übrigens eine ähnliche Stimme im Angebot. Gottseidank beschränkt sich diese aber auf das Aufsagen der nächsten Haltestelle (wenn auch gleich ganz weltmännisch in drei Sprachen).

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