Friday, September 28, 2007

UIC, Navy-Pizza und Fanartikel

Die blaue Linie des Chicagoer Transportsystems setzt den Studenten unmittelbar vor seiner Universität UIC ab. Die Harrison Street überquert, ist man auch schon auf dem riesigen Gelände der Universität angelangt und braucht beim ersten Besuch die Übersichtskarte zur Orientierung. Das Geschehen auf dem Campus allerdings ist bekannt: Studenten laufen von einem Gebäude zum nächsten, sitzen auf Bänken und unterhalten sich oder liegen auf den Grünflächen und entspannen.
Bekannt für einen Besucher aus Leipzig ist auch der Look, das Aussehen des Campus. Die Dominanz kalter Beton- und Glasarchitektur prägt nämlich auch den Leipziger Campus. Prägte, wohlgemerkt. Denn seit ungefähr einem Jahr hat der Leipziger Student keinen Campus mehr. "Wegen Umbauarbeiten geschlossen", heißt es da.
Es ist mein zweiter Tag in Chicago und da ich in dieser teuren Stadt etwas Geld sparen möchte, plane ich, mein Mittagessen ausfallen zu lassen. Doch dank der US-Navy muss das gar nicht sein. Großzügig spendieren Männer in weißer Uniform free food - kostenloses Essen. Als Nicht-US-Bürger kann ich zwar nicht rekrutiert werden, greife aber zwei grosse Pizzastücken und eine eisgekühlte Pepsi ab. Beim Kauen meines kostenlosen Essens überlege ich, ob mir die Rekrutierung hungriger Studenten den Appetit verderben sollte und was wohl mit den zwei liebevoll aufgerichteten Ständen der Matrosen auf dem Leipziger Campus passieren würde. Wie schlagfertig würde wohl ein deutscher Student reagieren, wenn die Kameraden der Bundeswehr ihre neuen Leute mit Pizza und Cola auf dem Campus anfüttern wöllten?

Den amerikanischen Studenten scheint es jedenfalls zu schmecken. Und mir auch. Nach dem Essen begebe ich mich zum SCE, dem Campus Informationszentrum. Sogleich staune ich über den ausgeprägten Vermarktungsgeist der Universität. Wer durch Leipzig mit einem T-Shirt seiner Uni spazieren möchte muss dafür schon in den Katalog oder das Internet schauen. Und muss sich dann auch noch über zu hochangesetzte Preise ärgen. Nicht aber an der UIC. Der Einkaufsbereich bietet alles zum günstigen Preis. Egal ob Mützen, Pullover, Taschen oder Rucksäcke - einfach zugreifen und mitnehmen. Vor dem Einkaufsbereich sitzen noch ältere Damen und verkaufen, wie auf einem Basar im Morgenland, Schmuck, Uhren und allerlei anderen Firlefanz. Die Universität als kleines Einkauszentrum, warum nicht.

Jeder Student aus Deutschland, der über die Küche seiner Mensa nur jammert, sollte die Essmöglichkeiten der amerikanischen Universitäten ausprobieren. Dank meiner Navy-Pizzastücken war ich zwar satt, wollte aber aus purer Neugier ein wenig mehr über das Speisenangebot der Uni herausfinden. Neben einigen Cafeterias in der Bibliothek und in diversen anderen Gebäuden, beherbergt das SCE in seinem zweiten Stock zahlreiche Ketten amerikanischer (Fr)Esskultur, die dazu beitragen, dass auch die Menschen in Amerika etwas "größer" sind. Und die Preise sind ebenfalls groß, aber wer sich die Gebühren an der UIC leisten kann (etwa 5000Euro pro Semester) wird sich auch ein tägliches Sandwich bei Subway leisten können oder sich am üppigen Buffet der All you can eat Halle zu bedienen wissen. Studentenfreundliche Preise gibt es für die Studenten also nicht, dafür aber auch keine hartgekochten Kartoffeln oder halbrohes Fleisch wie es die Besucher der Leipziger Mensa gewöhnt sind.

Soweit also der erste Besuch an der UIC. Wichtig auch zu wissen, dass der Feierabend hier gegen 17:00Uhr Einkehr hält und alles außer der Bibliothek seine Lichter dann ausknipst. Wenn die meisten Studenten das Gelände verlassen haben, übernehmen große, mausgraue Eichhörn-
chen den Campus und jagen einander durch die Büsche und prall gefüllten Mülleimer. Hinzu gesellen sich noch kleine Hasen und die Universität wird zum Spielplatz der Nager.

Ein Bild von Amerika

Vielleicht hat nicht jeder Amerikaner ein Bild von Deutschland in seinem Kopf. Jedoch jeder Deutsche hat ein Bild von dem Leben und den Menschen in den Vereinigten Staaten. Warum? Unter anderem ist das Kino daran schuld. Hollywoods Blockbuster-Streifen fegen auch durch deutsche Lichtspiel- häuser und hinterlassen ein wüstes Amerikabild. Angefangen beim Wilden Westen mit seinen schießwütigen Haudegen, über maskierte Wahnsinnige auf der Jagd nach kreischenden Teenagern, bis hin zum modernen Superman, der Kaugummi kauend die Welt vor Kometen und Terroristen beschützt. Übertrieben zusammengefasst scheint dies das Amerikabild: Cowboys, Serienmörder, Weltenretter.

Auch ich habe ein Bild von Amerika ohne je in Amerika gewesen zu sein. Entstanden auch aus dem Kino und Fernsehen, aus Büchern oder aus Liedern. Denn es scheint eine Vorliebe amerikanischer Künstler zu sein, sich besonders mit ihrem Land und seinen Menschen zu beschäftigen.
Über die Jahre habe ich den Eindruck bekommen, in Amerika ist alles größer als irgendwo anders. Die Landschaften, die Gebäude, die Autos, die Entfernungen, die Träume - Amerika, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Solange der Strom läuft (wie manch böse Zunge in Europa lästert).

Jetzt bin ich seit einem Tag in Chicago, in Amerika, und bin gespannt, was mir das reale Amerika jenseits der Leinwand, der Mattscheibe, der Comics und der Musikvideos für ein Bild vermitteln wird. Dazu soll auch dieser Blog dienen. Was ist anders im Land auf der anderen Seite des großen Teichs? Über was staunt und wundert sich ein Besucher aus dem verschlafenen Deutschland? Die windige Stadt Chicago wird nun mein Bild von Amerika prägen.